Wie unterhaltsam darf Literatur sein?

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In der deutschsprachigen Welt werden Bücher in drei Bereiche eingeteilt: Hochliteratur, Unterhaltungsliteratur und Trivialliteratur. Dies gilt für fiktionale Inhalte, also erfundene Geschichten. Im englischsprachigen Raum wird diese Abgrenzung nicht so stark getroffen. 
Meine These ist, dass dies mit unserer Mentalität zu tun hat. In Deutschland, Österreich und der Schweiz sind wir auf Seriosität, Genauigkeit und Zuverlässigkeit trainiert. In Wien gibt es eine besondere Steigerung: Die weit über die Grenzen bekannt grantigen Kaffeehauskellner, die einem zuerst ignorieren, sich dann irgendwann böse schauend zur Aufnahme der Bestellung herablassen, um dann eine gefühlte Ewigkeit später den natürlich vorzüglichen Kaffee zu servieren, ansonsten würde sich heute niemand mehr diese Tortur gefallen lassen.  
Jeder, der schon einmal die Offenheit, die Herzenswärme und die Freundlichkeit von Menschen aus anderen Teilen der Welt erlebt hat, weiß, wovon ich spreche. Es kommt fast einem Kulturschock gleich, wenn man nach einer längeren Reise wieder nach Hause kommt und sich über das ruppige Service wundert.
Eine ähnliche Empfindung habe ich, wenn ich fremdsprachige Literatur lese. Selbst die sogenannte Hochliteratur empfinde ich als unterhaltsam, spannend oder anderweitig vergnüglich. Solche Bücher zu lesen, ist eine große Freude.
Mit wenigen Ausnahmen wie der verstorbene Literatur-Papst Marcel Reich-Ranicki, der bereits 2001 die Sichtweise vertrat, dass Literatur Spaß machen muss, scheint die zeitgenössische Literaturkritik immer noch der Ansicht zu sein, dass Unterhaltung und anspruchsvolle Literatur inkompatibel sind. Nur selten hört man beispielsweise beim Bachmannpreis unterhaltsame Texte. Dabei ist mittlerweile wissenschaftlich nachgewiesen, dass gute Laune weder banal, noch ein Luxus ist, sondern Humor sogar beim Lernen hilft. 
Auch wenn ich mich bei den Fans der deutschsprachigen Hochliteratur an der Stelle unbeliebt mache, vertrete ich die Ansicht, dass auch anspruchsvollere Texte geschrieben werden, um gelesen zu werden. Es wird also Zeit, den Elfenbeinturm der literarischen Ernsthaftigkeit zu verlassen. Sonst könnte es sein, dass irgendwann nur noch Romane von Autoren aus nicht deutschsprachigen Ländern verkauft werden, die deutlich besser auf die Bedürfnisse der Leser und Leserinnen eingehen. 


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